Herbst
 
 
   
 

 


Musikalisch-dichterische Zwiegespräche über den Herbst

Werner Marti liest bekannte und unbekannte Gedichte und Nicolas Rihs verbindet sie mit eigenen und fremden Stücken auf dem Fagott.

Der Herbst des Einsamen

Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallner Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.

Georg Trakl

Herbstzeit: Von Fülle bis Vergänglichkeit
Brugg Abendmusik als musikalisch-dichterisches Zwiegespräch

Einer Abendmusik der ungewohnten Art konnte man in der Stadtkirche Brugg beiwohnen. Weder Orgel- noch Chormusik standen im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern nur zwei Ausführende als Protagonisten eines Zwiegespräches zum Thema Herbst.
Werner Marti, Schriftsteller, und Nicolas Rihs, Musiker und Fagottist, teilten sich in die Aufgabe, die Thematik sowohl sprachlich als auch musikalisch auszuloten. Die Fülle, aus der sie schöpfen konnten, widerspiegelte das ganze Spektrum des Herbstes, der als Sinnbild von Fülle, aber auch von Vergänglichkeit viele Dichter und Musiker inspiriert hatte. Diesen Gedanken im Rahmen einer besinnlichen Stunde ganz nahe zu sein und sich auf die Wirkung von Wort und Melodie einzulassen brachte reichen Gewinn für die Zuhörenden, wenngleich die Verständlichkeit der Texte trotz Mikrofon nicht immer optimal war. Die weniger schwierige Rolle hinsichtlich Verständlichkeit hatte der Fagottist, dessen Instrument mit seiner sonoren Stimme die Ohren lieblich umschmeichelte und sowohl in gewohnt tiefen als auch in erstaunlich hohen und geschmeidigen Klängen musikalisch-bunte Herbstbilder hervorzauberte.
Wer nun eine eher von Trauer und Abschied geprägte Stimmung erwartet hatte, sah sich angenehm überrascht. Vor allem im ersten Teil lösten sich heitere Texte und entsprechende Musik ab und man hörte viel von des Sommers Fülle, von Erinnerungen an Rosen, Schmetterlinge und laue Nächte. Selbst den ersten untrüglichen Herbstboten, den Herbstzeitlosen, wusste der Dichter Friedrich Sieburg eine humorvolle Seite abzugewinnen.
Dass Herbst aber auch Abschied, Loslassen und Sterben bedeutet, wurde bewusst nicht ausgeklammert. Ob in einer nostalgischen Alpabfahrt geschildert oder in wehmütig-melancholischen Zeilen ausgedrückt, das warme Gold des Herbstes trägt die Zeichen von Welken und Sterben in sich, und diese endgültige Gewissheit macht traurig. Wäre da nicht der zarte Keim der Hoffnung auf den nächsten Frühling, wie er immer wieder, sowohl in den Texten als auch in der Musik, zu erahnen war und wie ihn die Zuhörenden, beglückt und innerlich getröstet, mit in den unmittelbar bevorstehenden Herbst genommen haben.

myrtha schmid
© Mittelland Zeitung; 16.10.2004

 

 

 
 
Nicolas Rihs 0(041)32 / 322 17 53
 
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Stand: 19.09.2005