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Pressespiegel:

Die Freiheit des Spielenden
Ensemble Capricorn geht in Alt-Weiler Kirche mit barocken Meisterwerken sehr kreativ um

Mit den gewöhnlichen Barockkonzerten hatte der Auftritt des Ensembles „Capricorn“ in der Alt-Weiler Kirche nicht viel zu tun. Andreas Wäldele (Violine), Bernd Schöpflin (Kontrabass), Françoise Matile (Cembalo), Armin Bereuter (Gambe), Nicolas Rihs (Fagott) und Hansjürgen Wäldele (Oboe) folgten nämlich dem Ideal des „homo ludens“ – des „spielenden Menschen“ -, und nahmen sie sich die Freiheit,mit dem Notenmaterial der „größeren und kleineren Meisterwerke des Barock“ äußerst kreativ umzugehen.
Nicht die Rekonstruktion eines „authentisch barocken“ Klangbildes war ihr Anliegen, wohl aber eine Einfühlung in den Esprit barocker Aufführungspraxis, schließlich war es zur damaligen Zeit üblich, vorbildhafte Werke in den jeweiligen Zeit- und Personalstil einzuschmelzen und der solistischen Zierfreude – man denke an den oft improvisierten Koloraturprunk barocker Opern – freien Lauf zu lassen. Eine technische Perfektion um ihrer selbst willen lehnen die modernen Spielleute von Capricorn ab: „Wir distanzieren uns von der Zweckhaftigkeit der Mechanik, wir beanspruchen Spiel“, heißt es im Programm. Freilich ist hinzuzufügen, dass eine so fantasievolle, spontane und lebendige Interpretation nur auf der Basis einer selbstverständlichen Beherrschung des technischen Rüstzeuges und eines gewachsenen Ensemblegeistes möglich ist, der es jedem Spieler erlaubt, die Einfälle seiner Kollegen sofort zu verstehen und aufzugreifen.
Als Grundlage ihres Konzerts hatten sich die Musiker ein Thema mit dem bezeichnenden Titel „La Folia“ (Wahnsinn) ausgesucht, das bereits Meister wie Michel Farinel, Arcangelo Corelli und Marin Marais inspiriert hatte. Eigentlich ist es nur ein Minimotiv aus einer aufwärts gerichteten Sekunde und einer fallenden Terz. Es ließ also genügend Raum, umeine unerschöpfliche Fülle an Klangfarben, Affekten, Rhythmen und Dynamik zu entfalten: Federleicht hingetupfte Dialoge zwischen Oboe und Fagott, Streicherpassagen, die von filigranem Schöngesang bis zu dickem, expressiv aufgeladenem Ton changierten, delikate Pianissimopassagen und machtvolle Forte- Eruptionen. Bisweilen verfiel das Sextett in Jazz-Rhythmen und kam auf die gewagte Idee, das Thema aus alten Miss-Marple-Filmen einzublenden.
Auch in Georg Philipp Telemanns e-moll-Suite verband Capricorn eine präzise, leichtfüßige und transparente Interpretation mit originellen Einfällen. So vertauschte Andreas Wäldele seine Violine mit Zupfinstrumenten, und einmal legten die Musiker ihre Instrumente beiseite, um die Themen zu pfeifen.
Aus dem Einstimmen der Instrumente entwickelte sich ein kurzer Improvisationsteil, der anschließend bruchlos in die C-Dur-Sonata Dietrich Buxtehudes überfloss. Vivaldis Concerto in g-moll spielte Capricorn mit rüstigem Tempo, wobei es den expressiven, farbenreichen Charakter weit eher hervorkehrte als schiere Klangschönheit. So wagte sich der Kontrabass im Largo-Satz in unbequeme Höhenlagen, und im Schlusssatz lieferten sich Gambe und Kontrabass eine fulminante Kadenz. Die Schlusstakte wurden so oft wiederholt, dass erst der aufbrandende Applaus des zu Recht begeisterten Publikums die Endlosschleife beendete und die Musiker in die Tonika zurückkehren ließ.

Michael Gottstein, Badische Zeitung vom 10.01.2006

 

Intelligentes, lebendiges Spiel
Ensemble Capricorn in der Altweiler Kirche

Weil am Rhein. La Folia heist der portugiesisch-spanische Tanz aus dem Mittelalter, den man - so oft man will - mit melodischen Änderungen wiederholt. Kleine Narrheiten (span. folia) erlaubten sich die Musiker des Ensembles Capricorn, und die vielen Zuhörer in der sehr gut besetzten Altweiler Kirche waren begeistert von den kleinen munteren Stückchen barocker Meister in dieser Interpretation.
Profession, Lebendigkeit und Vielfalt, gepaart mit Pfiff sind Markenzeichen des Ensembles um die Weiler Musiker Andreas und Hansjürgen Wäldele. Vor allem die unzähligen Variationen zu "La Folia" der Komponisten Farinel, Corelli und Marais boten unendlich viele Eindrücke zwischen dem fein gehauchten Ende einer Achttaktigen Variante und seinem virtuos rasenden Nachfolger. Mit unzähligen Nuancen von Emotion, von Spielarten und Verzierungen erzählte das Ensemble seine eigene Story vom Entstehen dieser Musik in ihren Händen.
Was die Künstler im Vorwort ihres Programmheftes andenken, wurde auf sehr sympathische Weise musikalisch erläutert: "Wir beanspruchen Spiel" - will heissen: Das Ensemble wiederholt nicht nur, spielt nicht nach, rekonstruiert nicht. Es gibt Freiraum - "ein Spiel mit Tönen, Klängen und Formen". Wo beginnt das Stück, wo endet es? Dies liegt schon mal im Verständnis des Hörenden . Werden die Instrumente noch gestimmt? Haben die Streicher einen Vorsprung? Springen die Bläser auf den fahrenden Zug auf? Einmal bestimmten gar die Zuhörer den Schluss des Stückes, als sie in dei Wiederholungen des Schlussmotivs hineinapplaudierten.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: das Publikum hörte barocke Musik - lebendiges Menuett und tänzerische Gigue (Telemanns Suite e-moll), leidenschaftliches Largo, feuriges Allegro (in Vivaldis Concerto g-moll) - und liess sich bezaubern von Leichtigkeit und impulsivem Tanz der "Folies d'Espagne". Doch es hatte Anteil an einem höchst lebendigen Umgang mit alter Musik.
Françoise Matile (Cembalo), Armin Bereuter (Gambe), Nicolas Rihs (Fagott), Bernd Schöpflin (Kontrabass), Andreas Wäldele (Violine und Mandoline), Hansjürgen Wäldele (Oboe) erlaubten sich schon mal einen sehr aktuellen Ausflug mit Anklängen an Funk, Blues oder Rock'n'Roll. Die Spielarten der Instrumentenbesetzung wurden variiert. So übernimmt der Kontrabassist mal den Violinenpart, das Fagott bewegt sich in den Höhen der Oboe, das Spektrum der Klangnuancen wird um die Mandoline ergänzt. Ein hoch intelligentes Spiel mit vielen besonderen Möglichkeiten der Interpreten und ihren Instrumenten. Absolut erfrischend.

Marcel Wehrle, Weiler Zeitung am 11.01.2006

 

Klangzauber und witzige Gewandtheit mit Bach
seoner solistenabend: Das Ensemble Capricorn präsentierte «J. S. Bach und seine Zeitgenossen».

(hmr) Das auf Barock und Klassik spezialisierte Schweizer Ensemble Capricorn war erstmals in Seon zu hören und wartete mit einem sehr originellen Konzert auf: «J. S. Bach und seine Zeitgenossen», witzig und virtuos, in kühner Harmonik und voller Überraschungen dargeboten von Andreas Wäldele (Violine, Mandola und Mandoline), Hansjürgen Wäldele (Oboe), Nicolas Rihs (Fagott, Englischhorn), Armin Bereuter (Kontrabass) und Françoise Matile (Cembalo). Ihr Programm mit barocker Musik bot ungewohnte Klänge, zumal vier Stücke «Goldberg-Variationen» (BWV 988) von Bach (in ihrer originalen Fassung 1742 für zweimanualiges Cembalo komponiert) in der Instrumentierung von N. Rihs mit Oboe, Violine, Fagott und Basso continuo, eine Variation mit Violine, Englischhorn und Cembalo und eine mit Oboe, Violine, Fagott und Kontrabass erklangen; im Gesamten also vier Variationen von Bach, welche Werke von Telemann, Buxtehude und Zelenka einrahmten. Ouverture, chromatische Variation, Fughetta und Arla (Thema) entführten das Cembalo-Werk in komplizierte und komplexe Blasmusikklänge, nur gerade in der Aria durfte F. Matile ihr wunderbar seraphisch klingendes Cembalo solistisch zur Geltung bringen: die echten «Goldberg-Variationen».
Die vier Bach-Kompositionen, in ihrer Originalfassung ein einsamer Höhepunkt in der Welt der Variationen, bildeten in der Instrumentierung von N. Rihs keinen effizienten Gegensatz zu den Werken der «Zeitgenossen», zumal auch sie von Blasinstrumenten geprägt sind. Auffallend allerdings die original für Oboe, Violine, Fagott und Basso continuo komponierte Triosonate c-moll des tschechischen Meisters Jan Dismas Zelenka (1679-1745): Sie beglückte durch Fülle und tänzerische Beschwingtheit und begeisterte in dynamischer Präzision und Geschlossenheit das Auditorium am offenkundigsten. Georg Philipp Telemann (1681-1767) wurde mit den sechs Sätzen der Suite e-moll (5. Pariser Quartett) für Oboe, Violine, Mandoline und Basso continuo phantasievoll und leidenschaftlich (auch witzig) gefeiert, die Triosonate G-Dur für Oboe, Mandola, Fagott, Cembalo und Kontrabass von Dietrich Buxtehude (1637-1707) - Bach lernte vieles von dessen phantasiereicher und harmonisch-kühner Musik - inspirierte die Musiker zu einer virtuosen und klangsatten Darstellung. Bachs Zeitgenossen erweiterten mit ihren dichten und beschwingten Werken den Begriff der Klangwelt des Barocks eindringlich und wussten dank makelloser Interpretation voll zu überzeugen. Die Zugabe setzte einen köstlichen, witzigen Akzent, der spontanes Lachen auslöste.

Mittelland Zeitung; 04.11.2004

 

Ein musikalisches Erlebnis mit viel Tiefgang
Brugg - Die Zuhörerinnen und Zuhörer erlebten am Samstag eine Abendmusik der besonderen Art

Wer gewohnheitsmässig die samstägliche Abendmusik in der Brugger Stadtkirche besucht, macht dies im Wissen um eine musikalische Bereicherung und eine sinnvolle Einstimmung auf den Sonntag. "Predigten" mit Musik ist man oft geneigt zu sagen, denn die musikalische Ausdruckskraft entspricht der Vielseitigkeit des gepredigten Wortes. Dies war auch am vergangenen Samstagabend nicht anders, und dennoch erlebten die zahlreich erschienenen Besucher eine besonders eindrückliche Feierstunde.
Die Überschrift "Aus der Tiefe" bezog sich auf die tiefe Stimmung der Hauptinstrumente, Cembalo, Orgel und Kontrabass. Sie spielen in der Barockmusik, vor allem in den Werken Johann Sebastian Bachs eine Hauptrolle und sie waren in jedem Stück präsent. Dass sich dazu Fagott, Blockflöte und, Gambe gesellten, war schon eine eher ungewöhnliche Zusammensetzung, und wie sich Organist Gaudenz Tscharner zu Beginn ausdrückte, "ein Experiment". Letzteres bezog sich auch auf die Tatsache, dass alle Werke als Bearbeitungen für die erwähnten Instrumente zu hören waren. So etwas ist meist gewöhnungsbedürftig, und so harrte man gespannt der Töne und Klänge des musizierenden Ensembles. Zu ihm gehörten Gaudenz Tscharner am Cembalo und am Orgelpositiv, Ivo Schmid, Kontrabass, Nicolas Rihs, Fagott, Armin Bereuter, Gambe, und Katharina Bereuter, Blockflöte.
Akustisch aparter Tiefgang
Johann Sebastian Bachs Kantate "Aus der Tiefe ruf ich, Herr, zu dir" bildete nicht nur den programmatischen Leitfaden, sondern auch den musikalischen Rahmen, in welchen die weiteren Werke eingebunden waren. An die Ungewöhnlichkeit des instrumentalen Arrangements musste man sich kaum gewöhnen - so wohlklingend und die Ohren umschmeichelnd kamen die einzelnen Werke daher. Doch nicht nur das Ohr, auch das Auge wurde mit Ungewöhnlichem verwöhnt: Dem Musizieren von Armin Bereuter auf der Gambe, der so genannten Kniegeige, zuzusehen, war ein Erlebnis. Das äusserlich schöne Instrument "bearbeitete" er mit eleganter Phrasierung und äusserst musikantischem Schwung. Das Fagott als leichtlüssiges und vornehm zurückhaltendes Instrument zu behandeln, ist eine Kunst welche Nicolas Rihs vollendet beherrscht. Da war nichts zu hören von holpriger Komik, mit welcher dieses Instrument oft gleichgestellt wird. In allen aufgeführten Werken bestach das Fagott durch sein geschmeidiges und federleichtes Spiel und durch die Rolle als wichtiges aber nie dominantes Instrument.
Ergriffene Stille zum Schluss
Vertrauter ist uns der Klang der Blockflöte, welche von Katharina Bereuter virtuos gespielt wurde und sich ausgezeichnet in den ungewöhnlichen Instrumentenmix einfügte. Jedes gut gelungene Konzert ist immer ein Verdienst des ganzen Ensembles, und so stand die Freude über das gelungene Experiment in den Gesichtern aller Mitwirkenden. Dennoch wurde der Bitte um Stille entsprochen und anstelle von Applaus machte sich ein Gefühl von dankbarer Ergriffenheit im Kirchenraum breit.
(ms)

Aargauer Zeitung 16.02.04

 

Fröhliches Frühlingskonzert
In der evangelischen Kirche Rebstein musizierte am frühen Sonntagabend ein virtuoses Ad-hoc-Orchester

Rebstein. Neben der bekannten «Missa solemnis» von Mozart begeisterten die sieben Meistermusiker des Ad-hoc-Orchesters vor allem mit witzigen Soloimprovisationen in Haydns «Sinfonia concertante in B-Dur».

Organisiert wurde das Rebsteiner Frühlingskonzert vom einheimischen Organisten David Schenk, der im Konzert ebenfalls mitspielte. Die übrigen Musiker - Andreas Wäldele, Violine und Blue Grass-Mandoline, Hansjürgen Wäldele, Oboe, Martin Truninger, Klarinette, Nicolas Rihs, Fagott, Bernd Schöpflin Kontrabass und Françoise Matile, Cembalo und Orgel - stammen aus den Regionen Basel, Biel und Zürich. In der gleichen Besetzung spielte dieses meisterliche Ad-hoc-Ensemble bereits vor drei Jahren einmal in Rebstein.
Hervorragend umgesetzt
Die Werke, eigentlich für grosse Orchester komponiert, wurden vom Fagottisten Nicolas Rihs für die kleine Besetzung umgeschrieben. Dank der grossen Virtuosität aller Mitwirkenden, dank hoher Präzision und grosser Musikalität in der Interpretation wirkten die Meisterwerke durch diese Umsetzung jedoch nicht geschmälert. Im Gegenteil. Die kleinere Zahl der Instrumente gab den Werken eine grössere Transparenz. Strukturen wurden klar erkennbar. Interessant war immer wieder, wie Melodien und Themen von einem Instrument aufgeworfen und von den anderen übernommen und schliesslich zu vollen Klanggebäuden verdichtet wurden. Mozarts Missa solemnis in G-Dur KV 337 erstrahlte so in einem ganz neuen Glanz. Das Orchesterwerk war hervorragend umgesetzt und wirkte als «Kammermusik» ebenso kräftig und vital wie in der Originalfassung.
Virtuose Musikalität
Mit lautmalerischer Bildhaftigkeit interpretierten Françoise Matile und David Schenk Mozarts Andante in G-Dur KV 501. Sie leiteten mit diesem frühlingshaft fröhlichen Werk über zum eigentlichen Höhepunkt des Konzertes, zur «Sinfonia Concertante in B-Dur, op. 84». In diesem Werk brillierten die sieben Musiker, indem sie virtuose Musikalität mit Witz und Schalk würzten.
Mit Witz und Humor
Andreas und Hansjürgen Wäldele gaben in grossartigen Solopartien humorvolle Improvisationen zum Besten. Insbesondere der Violonist zauberte aus seinem Instrument Vogelgezwitscher, das Brummen und Summen von Bienen oder gar das unangenehme Sssssss eines Mückenschwarmes. Er holte so den lauen Frühlingsabend mit seiner Kunst von draussen in das Rebsteiner Kirchenschiff hinein, rollte dazu mit seinen grossen Augen und suchte während des Spiels mit seinem Blick die Kirchendecke nach Vögeln und Insekten ab. Sein Cousin Hansjürgen tat es ihm auf der Oboe gleich. Nachdem auch das Fagott und die Klarinette ihren Improvisationspart hatten, konnte David Schenk in der Zugabe, einer Kirchensonate von Mozart, KV 336, seinerseits seine Fähigkeiten als Improvisateur unter Beweis stellen. Damit fand ein herrliches Frühlingskonzert unter kräftigem Applaus des Publikums seinen Schluss.

Max Pflüger, St Galler Tagblatt, Mittwoch, 5. Mai 2004

 

Sinfonische Kammermusik
Kirchgemeinde und Gemeinde Nidau luden zum Konzert zum neuen Jahr in der Kirche Nidau ein.

Hfb. Für Musikliebhaber sind klassische Konzerte in der Kirche Nidau ein Geheimtipp. So war die Kirche fast vollständig besetzt, als die Musiker aus der Region eine sinfonische Kammermusik präsentierten, die nicht oft zu hören ist. Das Ensemble bestand aus: Suzanne Vischer, Violine; Michael Rath, Viola; Brigitte Fatton, Violoncello; Ivo Schmid, Kontrabass; Marianne Hübscher, Querflöte; Hansjürgen Wäldele, Oboe; Markus Niederhauser, Klarinette; Lars Magnus, Horn, und Nicolas Rihs, Fagott. Gespielt wurden Nonette, angelegt jeweils für ein Streichquartett und ein Bläserensemble.
Im ersten Werk von Jeanne-Louise Farrenc (1804-1875) wurden nur die ersten zwei Sätze der Nonette Es-Dur op. 38 gespielt. Louise Farrenc galt noch vor wenigen Jahren als Geheimtipp in musikwissenschaftlichen Kreisen. Als Zeitgenossin Mendelssohns, Schuberts, Chopins vertritt sie eine klassisch-romantische Kompositionstradition. Sie verband klassische Formen mit neuartigen Besetzungen, etwa in ihrem Nonett für Bläser. Bohuslav Martinu (1890-1959), Nonett für Bläser und Streicher HV 374, war Sohn eines Glöckners in Ostböhmen. Er lebte abwechselnd als freischaffender Komponist in Prag, New York, Pratteln und starb 1959 in Liestal. Seine Musik ist das Zeugnis von urwüchsigen böhmischen Musikanten mit beinahe unerschöpflicher Fantasie. Das dritte Werk, das das Ensemble mit beeindruckender Feinfühligkeit und Harmonie wiedergab, war von Witold Lutoslavsky (1913-1994) und nannte sich Dances Préludes. Er arbeitete mit aleatorischen Themen, die ihm, fast fünfzigjährig, zum internationalen Durchbruch verhalfen. Seine Komposition, ein Tanz-Präludium, drückte Kraft und Unmittelbarkeit sowie kompositorischen Witz mit Annäherung an Volksmusik aus.
Louis Spohr (1784-1859) war neben dem Italiener Paganini der grösste Geiger seiner Zeit, zudem internationaler Dirigent und bedeutender Komponist. In seinem Werk Grand Nonetto F-dur op. 31 wechselten humorvolle Passagen, verschiedene Stimmungen und eingängige Melodien. Er demonstriert im Eingangssatz des Nonetts, was man aus einem kurzen, simplen Motiv alles machen kann. Das gespenstisch dahinhuschende Scherzo wird durch zwei Trios, ein volkstümliches und ein humoristisches, aufgelockert. Darauf folgt das aus zwei Gedanken entwickelte nocturnehafte Adagio, gefolgt von einem Finale, das mit divertimentohafter Heiterkeit schliesst.

Bieler Tagblatt vom 03.01.2004

 

Musikgenuss in der reformierten Kirche Lengnau
«Zum Vergnügen und zur Zeitkürzung» - gemäss dem Originalzitat von Mozart - liess sich das Publikum den Bettag mit einem Mozart-Konzert versüssen.

srl. Eine gelungene Mischung aus weltlicher und geistlicher Musik war es, die der Zuhörerschaft in Lengnau geboten wurde. Durchwegs vergnügliche und einprägsame Melodien, die das Gemüt erfreuten. Mit einem «Orchestre», das nach Programmblatt und auch durch eigene Beurteilung «sehr gut und stark» war, wurden verschiedene Duette, Kirchensonaten oder Arien aus dem Figaro vorgetragen. Mit Andreas Wäldele an der Violine, Hansjürgen Wäldele an der Oboe, Jochen Seggelke an der Klarinette, Nicolas Rihs am Fagott, Alexandru Cebanica am Kontrabass und nicht zu vergessen Françoise Matile an der Orgel, war wirklich ein durch und durch motiviertes Orchester im Einsatz.
Leichtfüssige Partien
Die Emotionen der Spieler übertrugen sich aufs Publikum. Dabei vermochten vor allem leichtfüssige Partien des Gesamtorchesters den Funken springen zu lassen, oder aber diejenigen Mozart-Stücke, die leicht verändert zum Auftritt gelangten. So war schon einmal der Ausspruch: «Das tönt aber nicht nach Mozart!», zu hören.
Die leicht jazzig geprägten Klänge des Kontrabasses von Alexandru Cebanica kamen beim Publikum gut an. War er doch nicht der einzige, dem die Spielfreude eindeutig anzumerken war.
Auch Hansjürgen Wäldele liess zeitweise flinke Finger über die Klappen seiner Oboe «tanzen», ja in beinahe rasendem Tempo, dass man mit hören kaum nachkam. Durch das spielerische Flair des Orchesters liessen sich die Zuhörer mitreissen.
Auf den Applaus folgte noch als kleine Zugabe der Kanon mit dem bezeichnenden Titel «Lasst uns ziehn».

Bieler Tagblatt vom 20.09.2001

 

Reizvolle Gegenüberstellung
Johann Sebastian Bach: seine Musik, seine Bearbeitungen von Kompositionen anderer Meister und deren eigene Werke. Ein Konzert in der Nidauer Kirche.

mt. Johann Sebastian Bach schrieb in seinen Lehrjahren zahlreiche Werke anderer Komponisten für die jeweilig gewünschte Besetzung um. Die reizvolle Gegenüberstellung dieser Transkriptionen mit den Originalwerken derselben Komponisten einerseits und mit Bachs eigenen Werken, die sich an den Stilen dieser Komponisten orientieren andererseits, ist die Idee des Konzertes vom nächsten Sonntag in der Kirche, Nidau.
Zum Beispiel François Couperin. Sein Leben weist viele Parallelen zu Bach. Als schönste Blüte einer Musikerfamilie stand er zeitlebens im Dienste des Königs (Ludwig XIV). Auch Johann Friedrich Fasch wurde von Bach hochgeschätzt. Er war 1721 (vor Joseph Haydn) Hofkomponist beim Grafen Morizin in Böhmen und schrieb zwölf Opern, bedeutende Kantaten, Ouvertüren, Orchestersuiten und Kammermusik. Igor Strawinsky meinte, dass Vivaldi im Grunde stets das gleiche Werk in verschiedenen Varianten komponierte. Trotzdem erschienen Bach einige vivaldische Kompositionen derart wertvoll, dass er sechs Instrumentalwerke für Klavier, drei für Orgel und eines für vier Cembali und Orcheser transkribierte.
Einer inhaltlichen Drammaturgie folgend interpretieren die Barockgeigerin Dorina Mangra, der virtuose Oboist Hansjürgen Waeldele, der Fagottist Nicolas Rihs, der rumänische Kontrabassist Alexandru Cebanica und die Organistin der Kirchgemeinde Nidau - Françoise Matile - das Musikprogramm vom nächsten Sonntag, 19. November, um 17 Uhr in der Kirche, Nidau.

Bieler Tagblatt vom 14.11.2000

 

Play Bach - Bach einmal spielerisch
In die oft starre «werkgetreue» Bach-Aufführungspraxis brachten einige Musiker anlässlich des Bach-Zyklus in der Kirche Nidau ein spielerisches, erfrischendes, zum Teil auch provokatives Element.

ww. Bachs Genius besteht auch darin, dass viele seiner Werke mit ganz unterschiedlichen Musikinstrumenten interpretiert werden können - beispielsweise mit Synthesizer, E-Bass und Schlagzeug. Diese Erkenntnis haben einige Musiker genutzt und in der Kirche Nidau einem grossen Publikum mit viel «Spiel-Raum» ihr Bach-Verständnis dargelegt. Ein Höhepunkt war die Interpretation «Erbarm Dich mein, o Herre Gott», wo Synthesizer, E-Bass, Schlagzeug und Englischhorn ein faszinierendes Hör-Erlebnis schufen. Ein harmonisches Zusammenspiel von elektronischen Instrumenten mit Orgel, Fagott und Oboe war auch in «Ambiente und Fuge» festzustellen.
Einige elektronisch «produzierte» Darbietungen - sie liessen eher an Jean-Michel Jarre oder Frank Duval denn an Bach denken - haben zu Zuhörerreaktionen wie «ich habe es unterschiedlich empfunden» geführt. Für diese Zuhörer bot der Konzertabend mit dem einfühlsamen Spiel von Hansjürgen Waeldele, Oboe und Englischhorn, und Nicolas Rihs, Fagott, reichliche Entschädigung für ihr Kommen: in «Fantasia in d-moll» oder in «Invention in B-Dur» für Oboe und Fagott brillierten die Bläser neben ihrer reifen Technik und Tonschönheit durch spontane Virtuosität. Françoise Matile bewies in «Fantasia in g-moll» auf der Orgel mit ihren oft improvisatorisch anmutenden Passagen ihr Können.
Die übrigen Interpreten: Diego Rocca, Synthesizer, Markus Gfeller, E-Bass und Martin Ries, Schlagzeug.

Bieler Tagblatt vom 09.06.2000

 

 

Musikalische Delikatesse serviert
Künstler-Duo spielte in der reformierten Kirche neuzeitliche französische Fagott- und Orgelmusik

rheineck. Am Donnerstagabend bot die reformierte Kirche den stimmigen Rahmen für ein bemerkenswertes Solistenkonzert der zwei jungen Schweizer Künstler Nicolas Rihs (Fagott) und David Schenk (Orgel).

Diese intimen «Winterkonzerte» – viele Jahre im Rathaussaal – veranstaltet die Gesellschaft für Musik und Literatur immer zu Jahresbeginn als Kontrapunkt zur traditionellen «Löwenhof»-Serenade im Juni.

Heuer wurde ein delikates Programm mit französischer Instrumentalmusik aus der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts präsentiert. Dabei stellten sich Nicolas Rihs aus Biel und David Schenk (Organist in Rebstein, Widnau-Diepoldsau-Kriessern) mit einer Auswahl interessanter Werke der Komponisten Jehan Alain (1911 – 1940) und Charles Koechlin (1867 – 1950) vor.

Respektables Format

Die beiden bewiesen solistisch und als Instrumental-Duo respektables Format: spieltechnisch professionell, dynamisch und subtil gestaltend in der musikalischen Aussage und homogen im Zusammenspiel. Beide verfügen über eine reiche Ausdruckspalette und sympathische Ausstrahlung.

Ein Hauch von Melancholie

Der Fagottist beeindruckte mit biegsamem sonoren Ton, guter Atemtechnik und Phrasierungskunst. David Schenk überzeugte als feinsinniger Organist mit Spielkultur. Er nützte die Möglichkeiten der relativ kleinen Orgel bei den Soli und den Begleitparts durch einfühlsame Registrierung und transparentes Spiel optimal. Das einstündige exklusive Nonstop-Programm mit Raritäten spätromantischer französischer Fagott- und Orgelmusik führte das Publikum in ungewohnter Tonsprache in faszinierende Klangwelten und Ausdrucksformen. Die Interpreten und besonders auch die Zuhörer waren voll gefordert. Während die Werke von Charles Koechlin mehr der Spätromantik verhaftet sind, stösst Jehan Alain in neue eigenständige Klangbereiche (Akkorde, selbst entwickelte Tonarten) vor. Die expressiven Kompositionen beider Komponisten durchwehte ein Hauch von Melancholie und Besinnlichkeit. In der einleitenden Sonate von Koechlin liessen das elegische «Nocturne» und das leidenschaftliche «Finale» aufhorchen. Bei seinen «Trois pièces» kosteten Fagottist und Organist im romantischen Zwiegespräch den Wohlklang aus. Höhepunkt war die «Troisième Sonatine» für Fagott solo mit der variablen Themengestaltung sowie den filigranen Koloraturen und den exakten Läufen im duftig beschwingten «Finale».

Magische Klanglichkeit

Hervorragend meisterte Nicolas Rihs auch die anspruchsvolle «Monodie» von Jehan Alain und den heiklen Solopart im «Intermezzo», wo der Organist einen fein gewobenen Klangteppich ausbreitete. Beim Orgel-Solo «Deuxième Fantaisie» – einem Opus von magischer Klanglichkeit – kontrastierten die zarten Orgel-Register der gefühlvollen lyrischen Passagen mit den chromatischen Klangschattierungen in den leidenschaftlichen Steigerungen und Ausbrüchen. Um zwei höchst eigenwillige, aparte Kompositionen von Jehan Alain handelte es sich beim diffizilen Orgelsolo «Deux danses à Agni Yavishta» (altindische Gottheit), einem Highlight des Abends.

Einen krönenden Abschluss des Konzertes bildeten die farbigen «Trois mouvements», op. 64, für Fagott und Orgel von Jehan Alain. Das träumerische Einleitungsmotiv entwickelte sich zu bewegtem Figurenwerk (Orgel) und mündete in einem bravourös gespielten Finalsatz, der reichen Beifall auslöste

 

Ferdinand Ortner, 30. Januar 2006

Copyright © St.Galler Tagblatt

 

 

 

Herbstzeit: Von Fülle bis Vergänglichkeit
Brugg Abendmusik als musikalisch-dichterisches Zwiegespräch

Einer Abendmusik der ungewohnten Art konnte man in der Stadtkirche Brugg beiwohnen. Weder Orgel- noch Chormusik standen im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern nur zwei Ausführende als Protagonisten eines Zwiegespräches zum Thema Herbst.
Werner Marti, Schriftsteller, und Nicolas Rihs, Musiker und Fagottist, teilten sich in die Aufgabe, die Thematik sowohl sprachlich als auch musikalisch auszuloten. Die Fülle, aus der sie schöpfen konnten, widerspiegelte das ganze Spektrum des Herbstes, der als Sinnbild von Fülle, aber auch von Vergänglichkeit viele Dichter und Musiker inspiriert hatte. Diesen Gedanken im Rahmen einer besinnlichen Stunde ganz nahe zu sein und sich auf die Wirkung von Wort und Melodie einzulassen brachte reichen Gewinn für die Zuhörenden, wenngleich die Verständlichkeit der Texte trotz Mikrofon nicht immer optimal war. Die weniger schwierige Rolle hinsichtlich Verständlichkeit hatte der Fagottist, dessen Instrument mit seiner sonoren Stimme die Ohren lieblich umschmeichelte und sowohl in gewohnt tiefen als auch in erstaunlich hohen und geschmeidigen Klängen musikalisch-bunte Herbstbilder hervorzauberte.
Wer nun eine eher von Trauer und Abschied geprägte Stimmung erwartet hatte, sah sich angenehm überrascht. Vor allem im ersten Teil lösten sich heitere Texte und entsprechende Musik ab und man hörte viel von des Sommers Fülle, von Erinnerungen an Rosen, Schmetterlinge und laue Nächte. Selbst den ersten untrüglichen Herbstboten, den Herbstzeitlosen, wusste der Dichter Friedrich Sieburg eine humorvolle Seite abzugewinnen.
Dass Herbst aber auch Abschied, Loslassen und Sterben bedeutet, wurde bewusst nicht ausgeklammert. Ob in einer nostalgischen Alpabfahrt geschildert oder in wehmütig-melancholischen Zeilen ausgedrückt, das warme Gold des Herbstes trägt die Zeichen von Welken und Sterben in sich, und diese endgültige Gewissheit macht traurig. Wäre da nicht der zarte Keim der Hoffnung auf den nächsten Frühling, wie er immer wieder, sowohl in den Texten als auch in der Musik, zu erahnen war und wie ihn die Zuhörenden, beglückt und innerlich getröstet, mit in den unmittelbar bevorstehenden Herbst genommen haben.

myrtha schmid
© Mittelland Zeitung; 16.10.2004

 

Neue Zürcher Zeitung, 25. mai 1990

Getreidesilo - Konzert in der Tonhalle Zürich

"... ein buntes Programm, das (...) eine Vielzahl von Ausdrücksmöglichkeiten bis zum Klangexperiment und zum naturalistischen Hühnerhofgegacker erkundete: formal überzeugende, von klanglicher Phantasie und spielerischem Witz sprühende musikalische Improvisationen mit teils versponnen theatralischen Akzenten und einer erstaunlichen Sensibiltät der gegenseitigen Reaktionen".

 

Radio DRS2aktuell, 19. Januar 2006, 17.06-17.30

Faszination improvisierte Musik
Gleich zweimal steht am kommenden Wochenende das Thema "Improvisation" im Zentrum: in Zürich am Fetsival "Zwei Tage Zeit" und in Basel in der Reihe "Aspekte deer Freien Improvisation". Freie Improvisation" - ist das ein wildes Durcheinander von Tönen oder eine klar definierbare Musikrichtung?

Franziska Weber spricht mit Urban Mäder

 


Radio Anthroposophie, Mittwoch, Januar 25, 2006

Philippe Micol: Wie frei ist freie Improvisation?
Am Sonntag, 12. Februar 2006, von 11.00 - 12.30 Uhr findet in der Musik-Akademie Basel "Haus Kleinbasel" (Rebgasse 70, 4058 Basel) ein musikalisches Ereignis der besonderen Art statt: 'Wie frei ist Freie Improvisation? Wo mündet Freiheit in Beliebigkeit? Von der Kraft der Grenzen und der Lust ihrer Beschreitung' werden sich Hansjürgen Wäldele, Nicolas Rihs und Philippe Micol fragen und fragen lassen müssen.
In der Ankündigung heisst es: "Es ist ein erster Schritt zu begreifen, dass wir ein Zelt auch ohne Bauplan errichten können: sich frei machen von Vorgaben. Doch der zweite Schritt ist der wesentliche, sich von Zelt und Bauplan zu verabschieden und sich ins Unabsehbare zu stürzen, offen für das, was als nächstes kommt: sich frei machen von der rationalen Kontrolle unseres Tuns, sich der Intuition überlassen. Der dritte Schritt ist Gestaltung, wir schieben, stossen und ziehen, bringen unseren Willen und unsere Absichten ins Spiel, lassen aber auch geschehen, lassen auch wieder los: die Freiheit, aus einer Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten zu wählen, die sich jedoch an dem, was der Kontext, in dem wir stehen, uns vorgibt, aussteuern muss."
Es ist beabsichtigt, innerhalb dieser Anti-Komposition die Kernsätze von Rudolf Steiners Hauptwerk "Die Philosophie der Freiheit" via Tonband vortragen zu lassen.

 

Juni 2006, Schweizerische Musikzeitung

Wie frei ist Freie Improvisation?
Vortrag von Michel Seigner, gehalten am 26.03.2006, an der Musik-Akademie Basel, im Rahmen der Veranstaltung "Aspekte der Freien Improvisation".

Zum Begriff "Freie Improvisation"
Bekanntlich entstand der Begriff in den 60er-Jahren, als Cool Jazz vom Free Jazz abgelöst wurde. (Ornette Coleman gebrauchte den Begriff "Free Jazz" 1960 als programmatischen Titel für eine seiner Schallplatten). Das Wort frei stand für die Abgrenzung von der traditionellen Improvisation und bedeutete, nicht länger an Beat, Chorus und tonale Harmonik gebunden zu sein.
Mittlerweile hat sich die Freie Improvisation zu einer autonomen Form der Musikausübung entwickelt, bar der Tabus, die zu Zeiten des Free Jazz noch herrschten. (Zum Beispiel grenzte es damals an Blasphemie, einen Dur-Dreiklang zu spielen).  
Zieht man in Betracht, wie weit sich die Praxis der Freien Improvisation von derjenigen der 60er-Jahre entfernt hat, müsste sie eigentlich längst einen anderen Namen tragen.
Ein Begriff, der mein persönliches Verständnis von Improvisation besser umschreibt, ist Instant Composing. Auch er existiert bereits seit den 60er-Jahren. Er wurde in der niederländischen Szene um Mischa Mengelberg geprägt. Leider lässt er sich nicht auf elegante Weise ins Deutsche übertragen.
 
Doch zurück zur eigentlichen Frage: "Wie frei ist Freie Improvisation?"
Tatsächlich halte ich den Begriff "Freie Improvisation" für irreführend; nicht das Wort Improvisation, sondern das Wort frei.
Allzu oft wird unter frei bzw. Freiheit verstanden, beliebig und absichtslos den gerade auftauchenden Impulsen und Einfällen zu folgen. Eine Vorstellung, der ich häufig begegne, wenn ich Leuten, die mich fragen, was für Musik ich denn mache, sage, ich würde frei improvisieren. Viele halten Freie Improvisation für eine frisch-fröhlichen Klanglotterie.
Hat diese Vorstellung von Freiheit tatsächlich mit "Freier Improvisation" zu tun?  
Im weiteren impliziert der Begriff das Vorhandensein einer unfreien Improvisation. Müsste man dann einen Thelonious Monk, einen Charlie Parker oder einen Lennie Tristano als unfreie Improvisatoren bezeichnen?  
Schliesslich suggeriert der Begriff, Musiker, die andere Formen der Musikausübung praktizieren, besässen weniger oder gar... keine Freiheit.
Auch das wäre zu hinterfragen.
   
Wie eigentlich wird Freiheit definiert
"Wie frei ist Freie Improvisation?" ist eine ziemlich tückische Frage. Die Versuchung war gross, einfach davon auszugehen, was ich persönlich für frei bzw. unfrei erachte. Doch gleichzeitig weckte sie die Neugierde, ob eine – zumindest in den Grundzügen – übereinstimmende Definition von Freiheit aufzufinden sei.  
So habe ich denn Literatur, Enzyklopädien, und Wörterbücher durchgekämmt. Es war schwindelerregend. Freiheit ist ein erschreckend komplexer - und streitbarer - Begriff, zu dem sich tausende von grossen Geistern - Deterministen und Indeterministen - über Jahrtausende hinweg in unterschiedlichsten Kontexten teilweise kontrovers, teilweise übereinstimmend geäussert haben.
Doch schliesslich liess sich eine Definition herausfiltern, über die sich die neuzeitliche Philosophie in den Grundzügen einig zu sein scheint.
Reduziert auf das, was mir in Zusammenhang mit unserer Fragestellung relevant erscheint, lautet sie folgendermassen: Generell:
"Unabhängigkeit von äusserem, innerem oder durch Menschen oder Institutionen bedingtem Zwang." Meyers Lexikon
Spezifischer: die Definition der Willensfreiheit
"Sie bezeichnet die genuine Fähigkeit des Menschen, willentlich zu handeln, d.h. zwischen Alternativen wählen und eine Entscheidung treffen zu können." Duden, Philosophisches Wörterbuch
Wenn ich nun im Folgenden versuchen möchte, die Frage "Wie frei ist Freie Improvisation?" an dieser Definition zu messen, muss ich einsehen, dass ich damals - im August letzten Jahres – als ich,  sogenannt frei von der Leber weg, einen Einführungstext zum Thema verfasste, von einer  Prämisse ausging, die dieser Definition  von Freiheit nicht standhält. Der Haken lag in folgender Behauptung:
"Improvisierend aus einem im Moment vorhandenen Material ein Gericht zu kochen, einen Unterschlupf zu bauen, eine Musik zu gestalten; wie viel ist frei bei solcher Tätigkeit? Allenfalls der Umstand, keinem Kochrezept, keinem Bauplan, keiner Partitur zu folgen. Der Rest jedoch bedeutet gebunden zu sein, an ein vorhandenes Material und eine Absicht, die Absicht auch dann bleibt, wenn sie darin besteht absichtslos zu sein."
Falsch war die Prämisse insofern, als ich Gebundensein mit Unfreiheit gleichsetzte. Denn an eine Absicht gebunden zu sein gälte nur dann als unfrei, wenn mir nicht die Wahl offen stünde, diese Absicht auch wieder zu verwerfen, sie also aus innerem Zwang heraus "zwanghaft" in Tat umsetzen müsste. Ebenso steht es mir letztlich frei – immer vorausgesetzt ich bin nicht zwanghaft veranlagt - ein vorhandenes Material als verbindlich oder als unverbindlich zu betrachten.
Hinzu kommt, dass -  gemäss der Definition von Willensfreiheit – Absicht geradezu Voraussetzung für freies Handeln ist. Unabsichtliches Handeln, zum Beispiel wenn ich jemandem unabsichtlich auf die Füsse trete, ist eine Handlung, die ich weder gewählt noch willentlich vollzogen habe und somit keine freie Handlung.
Ich bin also einer verbreiteten Auffassung aufgesessen, sich zu binden oder etwas als verbindlich zu betrachten sei zwangsläufig mit Unfreiheit gleichzusetzen.
Über frei oder unfrei entscheidet lediglich die Frage, ob mir die Wahl offen steht, mich zu binden oder es eben nicht zu tun.
Jetzt könnte man natürlich einwenden, wer sich binde, schränke seine Freiheit in hohem Masse ein.
Dazu eine Episode, die John Cage in "Silence" erzählt: "Unlängst sagte eine Schülerin, die versucht hatte, eine Melodie aus nur drei Tönen zu komponieren "Ich fühlte mich eingeengt." Hätte sie sich mit den drei Tönen – ihrem Material – befasst, sie hätte sich nicht eingeengt gefühlt."
Der Philosoph Peter Bieri fasst in seinem Buch "Das Handwerk der Freiheit" die Frage nach der Freiheit des Handelnden folgendermassen zusammen:
"Das Ausmass, in dem er frei ist, ist das Ausmass, indem er das, was er will, in die Tat umsetzen kann."
 
Lässt sich nun anhand vorangegangener Definitionen etwas über den Freiheitsgrad improvisierter Musik aussagen?
In diesem Zusammenhang stellen sich mir folgende Fragen:
1.     Bin ich als freier Improvisator inneren oder äusseren Zwängen ausgesetzt, und worin könnten diese bestehen?
2.     Erlaubt mir die Freie Improvisation zwischen Alternativen zu wählen und zu entscheiden? Aber auch grundsätzlicher: Bin ich in der Lage zu entscheiden?
3.     Bin ich in der Lage, das, was ich will - also eine Absicht - in die Tat umzusetzen?
   
Zur 1. Frage:
Bin ich inneren oder äusseren Zwängen ausgesetzt, und worin könnten diese bestehen?
Um die Dinge nicht allzu sehr zu verkomplizieren, gehe ich mal davon aus, dass improvisierende Musikerinnen und Musiker  keine Zwangsneurotiker sind, also grundsätzlich keinen inneren Zwängen unterworfen sind (wobei sich natürlich nicht ausschliessen lässt, dass der eine oder andere Zwang durchaus vorhanden sein kann).
Äusserer Zwang jedoch ist vorstellbar. Dieser könnte z.B. in einer Publikumserwartung bestehen, der ich gegen meinen Willen versuche gerecht zu werden, da ich von meinen Konzerten leben möchte bzw. muss.
Ein anderer äusserer Zwang könnte auch die Tatsache bedeuten, dass Konzertorganisatoren nicht selten Gruppen zusammenwürfeln, deren Zusammenstellung nicht meinen Wünschen entspricht, es mir aus finanziellen Gründen jedoch nicht frei steht, abzusagen.
Inwieweit solche Faktoren äusseren Zwangs ins Gewicht fallen, kann ich nicht beurteilen, da es nie meine Absicht war, von meinen Konzerten leben zu können. Jedenfalls wird niemand, dem es in erster Linie darum geht, von seiner Musik leben zu können, die Freie Improvisation wählen.
Ein weiterer Faktor äusseren Zwangs könnte darin bestehen, dass allein der Begriff "Freie Improvisation" gewisse Freiheiten ausschliesst oder einschränkt. Wie auch immer ich mich anstrenge, ich komme auf nichts, was angesichts der heutigen Auffassung von Freier Improvisation als freiheitsbegrenzend bezeichnet werden könnte.
   
Zur 2. Frage:
Erlaubt mir die Freie Improvisation, zwischen Alternativen zu wählen und zu entscheiden? Aber auch grundsätzlicher: Bin ich in der Lage zu entscheiden?
Die Definition der Willensfreiheit setzt voraus, dass mir die Wahl zwischen Alternativen offen steht. Doch woher eigentlich stammen die Alternativen, die mir allenfalls zur Wahl stehen?
Es sind dies die Produkte meiner Intuition und meines Vorstellungsvermögens: Alles in allem mein Ideenreichtum. Die Anzahl und die Qualität der Alternativen, die mir zur Wahl stehen, ist somit abhängig von der Kreativität, über die ich in einem jeweiligen Moment des Spielens verfüge, aber auch davon, was in diesen Momenten musikalisch gerade stattfindet. Kreativität wiederum setzt Offenheit, Flexibilität und Risikobereitschaft voraus. 
Solange ich inspiriert bin, über Ideenreichtum verfüge, bin ich frei zu wählen, nicht nur womit ich auf  eine sich stets verändernde Situation reagiere, sondern auch worauf, wann und ob ich reagiere. Dies ist die Voraussetzung dazu, überhaupt gestalten bzw. mitgestalten zu können.
Eng wird es dann, wenn mir nichts mehr einfällt, denn dann bin ich der Freiheit beraubt, das zu tun, was ich eigentlich vorhatte, nämlich Musik zu machen.
Natürlich könnte ich noch weiterhin Töne produzieren... aber was hätte das mit Musik zu tun?
Das Ausmass, in dem mir offen steht, zwischen Alternativen zu wählen, ist also abhängig vom Ausmass meiner Kreativität.
   
Zur Frage der Entscheidungsfähigkeit:
In Zusammenhang mit Improvisation die Frage zu stellen, ob zu entscheiden mir erlaubt ist, bzw. ob ich dazu in der Lage bin,  scheint mir hinfällig.
Improvisation ohne die Fähigkeit, zu entscheiden, bzw. Entscheidungen selbständig treffen zu können, ist nicht denkbar.
Doch die musikalische Improvisation setzt - auf Grund ihrer Zeitgebundenheit – eine spezifische Art von Entscheidungsfähigkeit voraus:
Angenommen, ich bin zwar kreativ, jedoch ein Zauderer, unfähig mich innert nützlicher Frist zwischen zwei oder mehreren Einfällen zu entscheiden, so würde mich das letztlich zum Verstummen bringen.
Denn während der Zeit, die ich benötigte, um mich zu entscheiden, ist der musikalische Prozess längst weitergelaufen, und das, was zu spielen ich mich schliesslich entscheide, steht in keinem Kontext mehr zum aktuellen Geschehen. Mein Einfall ist überfällig geworden.
In der Improvisation ist die Frage, wie schnell ich in der Lage bin zu entscheiden, mitbestimmend für den Grad meiner Freiheit. Ein Faktor, der z.B. in der Komposition nicht massgebend wäre.
   
Noch etwas zum Tempo
Durch den Versuch, einer Antwort auf die Frage "Wie frei ist Freie Improvisation?" auf die Spur zu kommen, könnte der Eindruck entstehen, beim frei Improvisieren würde behutsam erst alles abgewägt und schliesslich in die Tat umgesetzt. Alles sei permanenter Kontrolle unterworfen.
Natürlich ist das Gegenteil der Fall: Entscheidungs- und Willensakte, bewusste und unbewusste, häufen und überlagern sich beinahe reflexartig in Sekundenbruchteilen; ein hoch komplexer Prozess, in dem sich manche Absicht nicht erfüllt, manches einfach geschieht; deus ex machina im Guten wie im Schlechten.
   
Zur 3. Frage:
Bin ich in der Lage, das was ich will - also eine Absicht - in die Tat umzusetzen?
Wie weit ich in der Lage bin, meine Absichten in die Tat umzusetzen, hängt – mal abgesehen von den grundsätzlichen Grenzen, die mein Instrument mir setzt - von meiner Instrumentaltechnik ab. Sie bestimmt das Ausmass meiner Handlungsfreiheit.
Doch hier beisst sich die Katze in den Schwanz:
Im Bewusstsein, dass ich auf meinem Instrument nicht alles kann (geschweige denn aus dem Moment heraus), werde ich - im günstigen Fall - unter meinen musikalischen Einfällen jene auswählen, die meine Technik mir erlaubt zu realisieren. D.h. meine Wahlfreiheit wird stets auch davon bestimmt sein, wovon ich glaube bzw. hoffe, es in die Tat umsetzen zu können.
   
Schliesslich der Versuch einer Antwort auf die Frage:
"Wie frei ist Freie Improvisation?"
Die Rahmenbedingungen der Freien Improvisation lassen sich – wie mir scheint – durchaus als frei bezeichnen. Von äusseren Zwängen durch Menschen oder Institutionen zu reden, schiene mir wehleidig.
Auch setzt das heutige Verständnis von Freier Improvisation - anders als noch damals im Free Jazz - weder stilistische noch irgendwelche andere Vorgaben, die meine musikalische Freiheit einschränken würden.
Grundsätzlich bin ich als frei improvisierender Musiker also autonom.
Doch wie weit mein freies Improvisieren den Kriterien von Wahlfreiheit, Willensfreiheit und Handlungsfreiheit standhält, darüber entscheiden weitgehend meine höchst individuellen Eigenschaften.
 
Deshalb lautet mein Fazit:
Die Freie Improvisation ist so frei, wie das Spielverhalten der Musikerinnen und Musiker frei ist, die sie ausüben.
Oder eher mathematisch ausgedrückt:
Freie Improvisation ist so frei wie die Summe der Freiheit jener, die sie ausüben.
 
Kurz noch etwas zum Untertitel dieser Veranstaltung:
Wann mündet Freie Improvisation in Beliebigkeit?
Bereits die Fragestellung impliziert, dass Beliebigkeit nicht mit Freiheit gleichzusetzen ist. Beliebigkeit stellt sich dann ein, wenn ich spiele, ohne eigentlich etwas zu wollen. Und da ich eigentlich gar nichts will, gibt es auch keine Wahl zu treffen, geschweige denn etwas zu entscheiden. Unter Umständen will ich sogar etwas: Zum Beispiel etwas ausprobieren, doch das ist nicht das selbe, wie Musik machen wollen. Das Resultat ist Orientierungs- und Richtungslosigkeit. Was wiederum zur Folge hat, dass sich keine Zusammenhänge, keine übergeordnete Form, keine Stringenz einstellen können. Alles bleibt unverbindlich, und dies für die Mitspieler in gleichem Masse wie für die Zuhörer.

 

Badische Zeitung vom 03.06.2006

Zwischen Realität und Abbild

Ungewohnte Improvisationen im Basler Gare du Nord „Ceci n’est pas une pipe“ (Das ist keine Pfeife). René Magrittes berühmter Satz über den Unterschied zwischen Realität und Abbild, mit dem er sein Ölbild einer frei schwebenden Tabakspfeife unterschreibt, hätte sehr gut auch als Motto für die jüngste Bläser-Nocturne im Basler Gare du Nord getaugt. Dass Magrittes „pipe“ kein Instrument ist, tut dem keinen Abbruch. In surreal unwirkliche Bildwelten versetzt das alte Bahnhofsbuffet ohnehin. Die musikalische Geste, zu der im Gare du Nord diesmal Hansjürgen Wäldele (Oboe), Nicolas Rihs (Fagott), Philippe Micol (Saxophon/Klarinette), Hans-Jürg Meier (Blockflöten) und Urban Mäder am Flügel ausholten, hätte anderswo kaum ähnlich greifen können.
Auch ohne die angekündigte „Electronics“- und Gitarren-Unterstützung des erkrankten Michel Seigner fehlte es der verbliebenen Crew kaum an Einfällen, Töne, Instrumente und äußere Eindrücke zu verfremden. Auch das neu aufgenommene Würfelspiel blieb unwirklich. Die großen Schaumstoffwürfel, die die Musiker von Mal zumal neu warfen und scheinbar über Auftritt oder (Ersatz-) Bank entscheiden ließen, mochten ihrerseits für das schwer sich erschließende System musikalischer Improvisation stehen.
Aus einem schier unendlichen Repertoire an Einfällen schöpften die Musiker auch über dieses rätselhafte Würfeln hinaus. Philippe Micols bildhafte Erwanderung eines Taktes etwa, in der Schritt für Schritt des an den Rändern der Rotunde gehenden Saxophonisten das Spiel der anderen strukturierte. Oder Hansjürgen Wäldeles ganz unvermittelt einsetzender sehr melodischer Part, der demüber aller Verfremdung und Improvisation doch hier und da etwas angestrengten Publikum vor Augen führte, wie Oboenspiel klingen kann, nämlich einfach nur schön. An anderer Stelle klangen wieder vor allem Bass-Saxophon, Fagott und Oboe derart schrill scheußlich zusammen, dass niemand sicher sein konnte, ob das plötzlich in knapper Pause aufspringende und den Saal verlassende wohl halbe Publikum, doch noch den Zug erreichen oder nur die geordnet höfliche Flucht ergreifen wollte. Urban Mäders den Fall seines Würfels daraufhin gar nicht mehr abwartendes an den Flügel Stürzen und in die Tasten Hauen, löste beim Restpublikum jedenfalls größere Heiterkeit aus. Der Flügel auch einmal als Zither, Saxophon, Klarinette und Oboe mal mit, mal oder ohne oder auch nur auf dem Mundstück gespielt. Selbst noch die Mundstück-Schutzkappen wurden da zum Instrument. Magritte glaubte wenigstens die Mehrheit seiner Rezipienten immer noch interpretieren und also verstehen zu können.
Und Keith Jarretts musikalische Gesten waren etwas eingängiger. Aber es muss ja nicht immer Jarrett sein.

Annette Mahro

 

Programmzeitung Basel, März 2006

Foren für Improvisation

db. Seit drei Jahren organisieren Hansjürgen Wäldele (Oboe) und Nicolas Rihs (Fagott), die u.a. an der Musik-Akademie Basel unterrichten, Veranstaltungen über ‹Aspekte der Freien Improvisation›. Dabei versuchen sie, auf spielerische Weise Theorie und Praxis zu verbinden, indem musiziert, reflektiert und diskutiert wird. Ein Gast äussert sich jeweils zu einer bestimmten Fragestellung; Ende März etwa wird die ‹Freiheit› der Improvisation vom Gitarristen Michel Seigner unter die Lupe genommen. Denn was heisst hier Freiheit? Entstehen Spielräume nicht erst durch Grenzen? Das Publikum ist eingeladen, sich am Gespräch zu beteiligen. Das Spielen ohne Noten, ohne vorherige Abmachungen und ohne bestimmten Stil ist voller Reize und Risiken; das dürfte sich auch an der Abschlussveranstaltung zeigen, bei der alle Gäste der diesjährigen Reihe gemeinsam konzertieren.‹Aspekte der Freien Improvisation›: So 26.3. (Michel Seigner) und So 7.5. (Hans-Jürg Meier), 11.00—12.30, Musik-Akademie, Haus Kleinbasel, Rebgasse 70. Abschlusskonzert: Do 1.6., 19.30/ 21.00, Gare du Nord. Weitere Infos: www.getreidesilo.net

 

SAMSTAG, 15. JANUAR 2005 Basellandschaftliche Zeitung


Die Improvisation ist eine fragile Kunst, die hochgradig auf den Augenblick bezogen ist.

Dieser Aspekt ist bekannt und wird auch oft betont. Doch seit den Anfängen des Free Jazz und der Freien Improvisation ist der Aspekt der Forschung mindestens so wichtig.

Das Gefühl, mit bestehenden Spielweisen, Instrumenten, Formen und Theorien nicht genügend für die Konfron-tation mit dem Augenblick gerüstet zu sein, gehört ebenso selbstverständlich zum Ausgesetztsein des auf Noten verzich-tenden Musikers, wie ein entsprechendes Pensum an Üben, Hören, Ausprobieren und Reflektieren. Aber mit wenigen Ausnahmen wird darüber eher selten berichtet.
Umso wichtiger ist deshalb die von Hansjürgen Wäldele und Nicolas Rihs organisierte und in der Musik-Akademie stattfindende Vortragsreihe “Vom Poten-tial einer musikalischen Geste - Aspekte der Freien Improvisation” (die dankens-werterweise vom Fachausschuss Musik BS/BL unterstützt wird).
Die jeweils am Sonntagmorgen stattfindende Reihe (für genauere Informationen: www.getreidesilo.net/aspekte) bietet dieses Jahr vier Vorträge zu weit-reichenden Themen der improvisierten Musik.
Am 16. Januar wird es um „Improvisierte Musik im Internet“ gehen. Dank erhöhten Datendurchsätzen bietet dieser Bereich immer mehr Möglichkeiten (bis hin zum Live-Ensemblespiel), über die der Kontrabassist Peter K. Frey berichten wird. Anhand von konkreten Beispielen wird er versuchen aufzuzeigen, was in diesem Medium bereits ausprobiert und was noch möglich und sinnvoll ist.
Am 27. Februar steht „An den Rändern der Sprache: vom Spiel mit Bedeutungen“ auf dem Programm. Das ursprünglichste aller Instrumente stellt aufgrund der Bedeutungsebene der
Sprache besonders verzwickte und weitreichende Fragen an die Improvisa-tion. Die sowohl im Bereich der neuen Musik als auch der Improvisation tätige Sängerin Marianne Schuppe wird über die ebenso explosive wie fruchtbare Beziehung zwischen Stimme und Sprache, zwischen Sprachlosigkeit und spontaner Spracherfindung, zwischen Textinterpretation und Laut-Poesie reflektieren.
Einem zentralen Thema ist der 22. Mai gewidmet: „Präparieren, Mani-pulieren: die Bedeutung der sogenannten Klangforschung in der improvisierten Musik“. Die üblichen Instrumente und Spielweisen sind in der Improvisation ihrer Selbstständigkeit entledigt und werden als gesellschaftliche und his-torische Produkte betrachtet. Der Pianist (oder in gewisser Hinsicht auch Nicht-Pianist) Christoph Schiller wird darüber berichten, wie die Suche nach neuen, anderen und frischen Klängen dazu führen kann, sich einem Instrument immer wieder neu anzunähern, aber auch darüber, was für ein intensiver Austausch von Spielweisen zwischen improvi-sierenden Musikern stattfindet. Könnte die „falsche“ Spielweise zum „richtigen Leben“ gehören?
Am 19. Juni schliesslich wird der Musiker und Instrumentenbauer Lukas Rohner dieses Thema weiterführen: „Mehrstimmiges Blasen: Begegnungen von Mehrklängen auf Oboe und Fagott mit neuerfundenen Tastenblasinstrumen-ten“ widmet sich den Möglichkeiten der Holzblasinstrumente und Suche nach neuen Instrumenten als technischer, aber auch als poetischer und ebenso radikaler wie alltagsbezogener Tätigkeit.
Eine Fülle an Informationen, Einsichten und Auseinandersetzungen wartet also auf interessierte Hörer- und MusikerInnen !

Peter Baumgartner

 

 

 

DONNERSTAG, 16. JUNI 2005 Basellandschaftliche Zeitung

Spannend improvisierte Konzertmusik

Rolf de Marchi

 

 

 

SEPTEMBER 2005 Dissonanz N° 91

Fülle und Leere

Andreas Fatton

 

Programmzeitung Basel, März 2006

Plattformen für Improvisation

db. 1993 entstand das Forum für improvisierte Musik (FIM), zu dem sich vor fünf Jahren noch der Tanz gesellte. Um dieser so eigen- wie randständigen Kunstform mehr Öffentlichkeit zu bieten, wurde vor einem Jahr der Kulturverein FIM gegründet, dem heute 30 zahlende Mitglieder angehören. Neben regelmässigen Treffen und Auftritten – zunächst im Davidseck, dann in der Gundeldinger Kunsthalle, neuerdings in der Mitte – finden auch Koproduktionen, etwa mit der IG Tanz oder mit Angehörigen anderer Kunstsparten, statt. Dabei geht es immer um höchste Präsenz und grösste Offenheit, was den Darbietenden wie dem Publikum viel abverlangt, aber mit der ‹Magie des Augenblicks› belohnt wird. Während es etwa in Bern und Zürich schon länger ‹Werkstätten für improvisierte Musik› gibt, die von den Städten mitfinanziert werden, muss das FIM Basel immer noch mit viel unbezahlter Arbeit über die Runden kommen. Dennoch möchte der Verein im nächsten Jahr ein grösseres Festival präsentieren. – Ebenfalls der flüchtigsten aller Künste verschrieben haben sich Hansjürgen Wäldele und Nicolas Rihs, die im Januar eine vierteilige Veranstaltungsreihe zum Thema Improvisation starteten, welche mit einem Konzert aller Referierenden abgeschlossen wird. Unter dem Titel ‹Vom Potenzial einer musikalischen Geste› beleuchten die Gast-MusikerInnen Fragen ihres individuellen Schaffens.
FIM-Projekt ‹tabbbcla›: Di 22.2., 20.00, Safe, Unternhemen Mitte. Weitere Infos: www.fimbasel.ch

‹Vom Potenzial einer musikalischen Geste›. Aspekte der freien Improvisation: So 27.2., 11.00 Marianne Schuppe, Musik-Akademie, Haus Kleinbasel, Rebgasse 70. Weitere Daten: www.getreidesilo.net/aspekte.html

 

 

 

 

 

 

 
 
Entfernen Sie bei der Email-Adresse die Tiefstriche (Underscores) am Anfang und am Schluss Nicolas Rihs 0(041)32 / 322 17 53
   
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Stand: 05.10.2006