Stylus
Phantasticus
Dietrich
Buxtehude & Rudolf Moser
Katharina
Bereuter - Blockflöte, Armin Bereuter - Gambe, Nicolas
Rihs - Fagott,
Jonas Tauber - Kontrabass, Françoise Matile- Cembalo
und Orgel
Konzert
in der Kirche Nidau
Bettag, 16. September 2007, 17h00
Die
Freiheit des Spielenden
" Der Stylus
Phantasticus ist die allerfreieste und ungebundenste Setz-Sing-
und Spiel-Art, die man nur erdencken kan, da man bald auf
diese bald auf jene Einfälle geräth, da allerhand
sonst ungewöhnliche Gänge, versteckte Zierrathen,
sinnreiche Drehungen und Verbrämungen hervorgebracht
werden, ohne eigentliche Beobachtung des Tacts und Tons;
bald hurtig bald zögernd; bald ein- bald vielstimmig;
bald auch auf eine kurze Zeit nach dem Tact: ohne Klang-Maasse;
doch nicht ohne Absicht zu gefallen, zu übereilen und
in Verwunderung zu setzen."
Johann
Mattheson, Der Vollkommene Capellmeister (Hamburg 1739)
Mit den gewöhnlichen
Barockkonzerten hat der Auftritt des Ensembles „Capricorn“
nicht viel zu tun. Katharina Bereuter-Blockflöte Jonas
Tauber-Kontrabass, Françoise Matile Cembalo/Orgel,
Armin Bereuter-Gambe und Nicolas Rihs-Fagott folgen nämlich
dem Ideal des „homo ludens“ – des „spielenden
Menschen“ -, und nehmen sich die Freiheit, mit dem
Notenmaterial der „größeren und kleineren
Meisterwerke des Barock“ äußerst kreativ
umzugehen.
Nicht die Rekonstruktion eines „authentisch barocken“
Klangbildes ist ihr Anliegen, wohl aber eine Einfühlung
in den Esprit barocker Aufführungspraxis.
Ein originell komponiertes und amüsantes Konzertprogramm
mit 4 Triosonaten und 2 Werken für Orgel und Cembalo
des Meisters des norddeutschen Frühbarocks und Vorbild
Johann Sebastian Bachs Dietrich Buxtehude umrahmt mit musikalischen
Leckerbissen aus dem grossen Nachlass des schweizer Komponisten
Rudolf Moser.




«Phantastische»
Barockmusik in Nidau
In der Nidauer Kirche wurde am Sonntag dem Phantastischen
Stil gehuldigt. Die Musik des Norddeutschen Dietrich Buxtehude
ist ein charakteristisches Beispiel dafür.
«Denn
dieser Stil ist die allerfreieste und ungebundenste Setz-Sing-
und Spiel-Art, die man nur erdencken kan, da man bald
auf diese bald auf jene Einfälle geräth, da
allerhand sonst ungewöhnliche Gänge, versteckte
Zierrathen, sinnreiche Drehungen und Verbrämungen
hervorgebracht werden, ohne eigentliche Beobachtung des
Tacts und Tons... » - diesen Text von Johann Matheson
aus «Der vollkommene Kapellmeister» (1739)
zitierte Nicolas Rihs am Anfang des Konzerts vom Sonntagnachmittag
in der Nidauer Kirche.
Trotz bezauberndem Spätsommerwetter fanden etliche
Zuhörer in die Kirche, um den fünf Instrumentalisten
Katharina Bereuter (Blockflöte), Nicolas Rihs (Fagott),
Armin Bereuter (Gambe), Jonas Tauber (Kontrabass) und
Françoise Matile (Cembalo und Orgel) zuzuhören.
Romantik vorweggenommen
Der bedeutendste Vertreter dieses Stils ist
Dietrich Buxtehude, dessen Todestag sich heuer im Mai
zum 300. Mal jährte. Er war nebenbei eines der wichtigsten
Vorbilder des jungen Bach, der nach einem Besuch bei Buxtehude
in Lübeck auch gleich einige wilde, phantastische
Orgelwerke schuf und damit sogar die Predigtgänger
in seinem damaligen Wirkungsort Arnstadt verwirrte. Am
bekanntesten ist dieser Stil, der bis auf den Italiener
Girolamo Frescobaldi (1583 - 1643) zurückgeht, in
der Musik für Tasteninstrumente, insbesondere der
Orgel, und dort auf die freie Improvisation zurückzuführen.
Man hat dem Stil der Jahrhundertwende vom 17. zum 18.
Jahrhundert auch schon - ähnlich wie später
der «Sturm und Drang»-Epoche um 1770 bis 1780
eine Vorwegnahme der Romantik zugesprochen.
In Nidau erklang jedoch vor allem die weniger bekannte
Kammermusik des Lübecker Meisters, kontrapunktiert
durch Sätze aus einer Suite des Schweizers Rudolf
Moser (1892-1960). Triosonaten von Buxtehude, wobei Blockflöte,
Gambe und Fagott die Melodiestimmen übernehmen, das
Fagott aber auch mit dem Kontrabass und dem Tasteninstrument
zusammen den Basso continuo ausführen kann.
In den raschen Sätzen recht virtuose, kurzweilig
unterhaltende Musik, die mehr der französischen Suite
nahesteht, denn der viersätzigen italienischen Triosonate
vom Typus wie sie etwa Arcangelo Corelli schuf.
Harmonische Wendungen
Die Suitensätze von Rudolf Moser sind immer
Duette in wechselnden Besetzungen, dem Neobarock der Mitte
des 20. Jahrhunderts nahestehend, mit einer freien Tonalität,
die auch altertümliche harmonische Wendungen einbezieht,
aber in der Melodiebildung wiederum sich durchaus vom
«phantastischen Stil» des späten 17.
Jahrhunderts inspirieren lässt.
Die Instrumentalisten waren den virtuosen Anforderungen
wie selbstverständlich gewachsen und, obwohl Blockflöte,
Gambe und Cembalo / Truhen-orgel dem historischen Instrumentarium
zuzurechnen sind, Fagott und Kontrabass jedoch auf modernen
Instrumenten gespielt wurden, in der Aufführungspraxis
stark von den Erkenntnissen historischer Spielweise geprägt.
Auch die vier Triosonaten von Buxtehude waren nicht immer
gleich besetzt, so dass sich sowohl klanglich wie aber
auch in den Charakteren der von Tanzrhythmen geprägten
Sätze dank einer fantasievollen Wiedergabe keine
Langeweile einstellte. Im Gegenteil, es herrschte viel
Abwechslung, so dass das gut einstündige Konzert
im Nu verflog und bei den Zuhörern viel Zustimmung
fand.
Daniel Andres,
Bieler Tagblatt vom 18.9.07